Philipp Ammon: Die Vertreibung ins Paradies

Ein einzigartiger Tonfall durchweht die Erzählungen, Kurz- und Kürzestgeschichten des Historikers und Kaukasiologen Philipp Ammon, die nun erstmals in diesem Sammelband zu lesen sind. „Die Vertreibung ins Paradies“ entführt in die mythologische Welt des Ostens, erinnert an die Geschichten eines Scholem Alejchem und nicht von ungefähr auch an Stefan Zweigs „Welt von gestern“. So wird der Prosaband durch „Die schöne Zeit“ eröffnet, ein Bericht über das Ende der Belle Époque, den Untergang der alteuropäischen und altösterreichischen Welt und das Straucheln in den Ersten Weltkrieg. Ammon beschreibt den Sturz des Menschen in sein Unglück, seine schlafwandelnden Fehltritte, durch die er die schlummernde Seligkeit paradiesisch goldener Zeitalter einbüßt und sich in immer tieferen Abgründen wiederfindet. Inspiriert von altweltlicher Mythologie und Überlieferung verharren Ammons Miniaturen jedoch nicht nur in der Vergangenheit. Er spannt den Bogen erzählerisch bis in die Neuzeit, zum modernen, vom Kapitalismus geprägten Menschen, behält dabei jedoch den Ton kraftvoller biblischer Erzählweise bei, auch wenn es um Überlebende von Krisenzeiten und Flugzeugabstürzen geht oder um die Reisenden auf der Route Kvish Ekhad von Jerusalem nach Jericho, die der Ratschlag „Get your kicks“ begleitet.

Als Gott die Menschheit des Paradieses verwies, sagten die Georgier: „sofort“. Ihr Stammhalter Targamos wälzte sich von einer Seite auf die andere und sprach zum flammenschwerternen Cherub: „Ich weiß um meine Sünde, sie steht mir stets vor meinen Augen. Aber sieh doch an, ich bin korpulent, wenn ich jetzt aufstehe, bekomme ich Herzrasen, außerdem ist es keine Strafe, die Erde zu bebauen, das mache ich nämlich für mein Leben gern. Mit dieser Strafe verweist du mich ins Paradies. Denk dir etwas anderes aus.“ Seitdem sitzt Targamos in Eden. Und wenn er sich nicht bewegt hat, sitzt er heute noch da.

Der Autor
Philipp Ammon, geb. 1975, ist Historiker und Kaukasiologe und lebt in Berlin. Er ist Fellow Researcher am Centre for Military, Intelligence and Security Studies (CMISS) in Victoria (Kanada). Ammon veröffentlichte Essays, Geschichten und Gedichte u.a. in der Neuen Zürcher Zeitung, Cicero, Berliner Zeitung, The European, Kosmopolis, Jüdische Rundschau. Im Jahr 2020 erschien sein Buch über die historischen Wurzeln des russisch-georgischen Konflikts bei Vittorio Klostermann.

Bibliografische Angaben
Philipp Ammon: Vertreibung ins Paradies
Hardcover
ca. 160 Seiten | 18 x 13 cm
24,00 Euro
978-3-946392-44-6
Erscheinungstermin: Dezember 2024