In den drei Texten, entstanden in den Jahren von 2007 bis 2022 spürt Jan Kuhlbrodt den Entwicklungen und Veränderungen der Welt nach, beginnend mit der Beschreibung der Kindheit in Karl-Marx-Stadt, über die Suche nach einer gerechteren Welt zuzeiten der Wende in Leipzig und Frankfurt am Main, bis zum Erinnern des Vergangenen und dem Versuch, das Sterben wahrzunehmen.
Für Teil 3 der Chemnitzer Trilogie erhielt Jan Kuhlbrodt den Alfred-Döblin-Preis 2023. Die Jury schrieb: Jan Kuhlbrodt hat mit „Krüppeltext oder Vom Gehen“ eine vielschichtige Prosa geschrieben, die sich mit großer Unerschrockenheit, erstaunlicher Komik und theoretischem Witz der eigenen MS-Erkrankung stellt. Was ihm inzwischen fast unmöglich ist, das Gehen, wird zum Leitmotiv eines erfahrungssatten szenischen Panoramas. Die papierene Welt der Bücher wird ihm zur Gegenlandschaft, in der die Utopie einer Welt ohne Gravitation aufscheint.
Teil 1 Vor der Schrift
Herkunft und Kindheitstage
Jan Kuhlbrodt begibt sich auf eine Entdeckungsreise in das Land der eigenen Biografie. Er geht zurück in die Zeit, da dem Schriftsteller die Schrift selbst noch fremd und äußerlich war, Ornament und Hieroglyphe. – Der Protagonist des autofiktionalen Texts erinnert sich an die Jahre der Kindheit in den 1960er- und 1970er-Jahren, als sich ihm der Klang der Umgebung zu Worten fügt und allmählich zur Schrift gestaltet. Zugleich ist das Buch eine Erinnerung an ein Land, das es nicht mehr gibt. Und an eine Stadt, deren Namen nicht mehr vorhanden ist, die in ihrer Repräsentation nunmehr auf die Schrift angewiesen ist. Karl-Marx-Stadt, betrachtet durch die Augen eines Kindes, ohne Wertung, unmittelbar und unsentimental.
Teil 2 Schneckenparadies
Aufbruch und Erwachsenwerden
Der Held des Romans geht nach der Wende von Karl-Marx-Stadt nach Frankfurt am Main, um Philosophie zu studieren. Die Versprechen von einer gerechteren Welt, Teil der DDR-Utopie, sind da bereits verschüttet, allenfalls verbunden mit den Erinnerungen an einen Jugendfreund, an Leiterwagen und rote Fahnen. In der Bundesrepublik findet der Protagonist dieses autofiktionalen Romans Anschluss an die linke studentische Szene in Frankfurt, um nach und nach ernüchtert festzustellen: Auch die jugendlich-revolutionäre Vision einer vermeintlich freien Republik hat ihre Begrenzungen und Schattenseiten. Und wie die Schnecken, denen die Kinderfreunde in einer alten Badewanne eine neue Heimat bieten wollten, zieht es auch die Protagonisten dieses Buches weiter.
Teil 3 Krüppelpassion
Erinnern und Sterben
Sich mit der eigenen Krankheit literarisch auseinanderzusetzen, ist ein heikles Unterfangen. Jan Kuhlbrodt hat es dennoch gewagt und mit »Krüppelpassion« ein einzigartiges Buch über sein Leben mit Multipler Sklerose vorgelegt. Dabei stellt er sich auch dem eigentlich Undenkbaren: dem eigenen Tod. Das Ergebnis sprengt gängige Formen – Kuhlbrodt erzählt aus seinem Alltag im Rollstuhl, lotet die philosophischen Tiefen seiner Erfahrung aus, verdichtet zu lyrischen Miniaturen und findet bei aller Schonungslosigkeit immer wieder auch zurück zu Witz und Leichtigkeit. Bereits vor Erscheinen des Buches sorgte Jan Kuhlbrodt mit seinem autofiktionalen Text für Aufsehen: Für einen Auszug aus »Krüppelpassion« erhielt er 2023 den renommierten Alfred-
Döblin-Preis.